Heute endet ein Zeitalter im Ruhrgebiet. Mit dem Ende der Steinkohleförderung in Deutschland endet auch die Aera der Kumpel und Malocher auf dem Platz. Auch beim VfB, eigentlich der Verein der Chemiearbeiter, spielte der ein oder andere Bergmann. Einer von ihnen gehörte zu der vielleicht besten VfB-Mannschaft aller Zeiten: Andreas Gehling aus Herten. Wir haben uns mit dem Westfalenmeister von 2000 unterhalten und die ein oder andere Träne verdrückt.

VfB: Hallo Gehle, schön dass du Zeit für uns hast. Wir haben heute Freitag, den 21. Dezember: Wie geht es dir an diesem Tag, wo mit Prosper-Haniel die letzte Zeche in Deutschland schließt?

Gehling: Es ist schon ein komisches Gefühl, dass der letzte Tag des Steinkohlebergbau auf einen Freitag fällt! Als ich am Mittwoch das Steigerlied und die Choreo auf Schalke gesehen habe, bekam ich eine ganz schöne Gänsehaut!

Naja, nach Anpfiff war das Licht aber ganz schnell aus... Aber ein anderes Thema: Du hast noch unter Tage gearbeitet und nach der Schicht gepöhlt. Beschreibe bitte mal, wie der typische Tag eines Bergmann-Fußballers aussah.

Mein typischer Tag unter Tage fing mit der Frühschicht um 6 Uhr auf Schlägel und Eisen in Herten-Langenbochum an. Da ich nur fünf Fußminuten von der Zeche entfernt wohnte, kam ich meist kurz vor knapp in der Kaue an und fuhr mit Helm, Kopflampe, Rettungsfilter und Schienbeinschoner ins Bergwerk ein. In 1025 Metern auf der 5. Sohle ging es weiter mit der Grubenlok, die uns nach 20-minütiger Fahrt an meinen Arbeitsort, den Blindschacht, brachte. Untertage war ich für den Blindschacht und die Kohlebänder zuständig. Nach sieben Stunden bei 25 Grad war meine Schicht dann vorbei. Nach dem Duschen und "Buckeln" war ich gegen 14 Uhr zuhause, wo ich erst einmal eine Stunde Mittagsschlaf gehalten habe. Danach ging es nach Marl an den Badeweiher zum Training - und das vier Mal die Woche.

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Ihr seid eine klassische Ruhrgebietsfamilie - Vater und Sohn aufm Pütt, Ihr lebt immer noch bei Schlägel und Eisen in Langenbochum. Was heißt der Tag für die Familie Gehling?

Tja, da geht eine Ära zu Ende. Was noch übrig bleibt sind die Fördertürme, wenn sie wie hier auf Schlägel und Eisen restauriert werden. Beim Spazierengehen mit unseren Hund über die Zechenbrache werden auch nach Jahren meine Erinnerungen an meine Zeit im Bergbau immer wieder kommen.

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Was war oder ist schlimmer für dich: Die 1:2-Heimpleite in der Relegation zur 3. Liga im Jahr 2000 gegen den SV Elversberg oder das Ende der Steinkohle in Deutschland?

(Lacht auf) Da muss ich sofort an den Ayhan Toplu denken, der damals unglücklicherweise ein Eigentor erzielte und wir somit nicht aufgestiegen sind. Gäbe es heute noch die Steinkohle und ich wäre damals auf der Zeche geblieben, könnte ich in vier Jahren in Rente gehen. Also (mit einem Zwinkern!): ganz klar das Ende der Steinkohle!

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Gehle, danke für das Gespräch und Glück Auf!

Glück Auf!

Andreas Gehling ist in Herten geboren und spielte von 1993 bis 2005 für den VfB Hüls. In dieser Zeit stieg der Abwehrspieler von der Verbandsliga in die Oberliga Westfalen auf und wurde im Jahr 2000 Westfalenmeister. Heute arbeitet Gehling im Chemiepark Marl und ist Jugendtrainer.