Vor der Begegnung im Gelsenkirchener Jahnstadion waren die Rollen eigentlich klar verteilt: Gastgeber Hessler 06 war mit gerade mal 4 Punkten aus 18 Spielen bereits auf Abschiedstournee aus der Bezirksliga, derweil der VfB als Tabellendritter und mit frischem Rückenwind aus dem 3:0 gegen Herne als deutlicher Favorit antrat. Das Fußball eben keine Mathematik ist, sollten dann aber die kommenden 70 Minuten unter Beweis stellen.

Das Spiel war jünger als die Princess of Cambridge, da blickte man sich in Reihen der Roten schon entgeistert an. Ein Fehlpass im Spielaufbau, die schnelle Nummer 9 der Gastgeber ließ unsere Innenverteidiger Spalier stehen und zack, schon stand es 1:0 für 06. Blöd gelaufen. Blöder noch, dass die Zuschauer sich nur wenige Minuten später wähnten, eine Zeitlupe des Treffers in Echtzeit (das ist jetzt ein Widerspruch, oder?) gesehen zu haben. Allein: diese Fast-Kopie war bereits der zweite Treffer für den Tabellenvorletzten.

Genau so wenig erbaulich wie das Zwischenresultat gestalteten sich dann auch weite Teile der ersten Halbzeit. Die Badeweiher-Elf fand zu keinem Zeitpunkt das Sprungbrett in den Spielfluss und lief immer wieder blauäugig wenn auch mit beachtlicher Konsequenz in die Konter der Gastgeber. Dass diese daraus kein weiteres zählbares Kapital schlagen konnten, durfte neben dem gefälligen Wetter und der eisgekühlten Coke Zero aus diesen herrlich nostalgischen Glasflaschen zu den wenigen Highlights vor der Pause gerechnet werden. Ganz am Ende des ersten Durchgangs gab dann doch noch Grund für positive Gefühlsregungen. Gemäß dem Fußballweisheit-Update ‚Der Gefoulte sollte stets selbst antreten' zirkelte Rouven Maly einen Freistoß fein anzusehen aus über 20 Metern ins Tor der 06er. Patrick Zimmermann hatte es in der Nachspielzeit gar in der Hand oder vielmehr auf dem Füßchen, den Badeweiher-Anhang in ekstatische Ausnahmezustände zu versetzen. Doch blendete ihn die tief stehende Gelsenkirchener Nachmittagssonne im entscheidenden Moment und er übersah bei seinem Marsch aufs Hessler-Tor seine mitgelaufenen Teamkollegen. In der Annahme, mutterseelenallein auf weiter Flur zu sein, schoss er leider wenig glamourös den Torhüter an. Ein Tor in der Stadt der Königsblauen durch einen leidenschaftlichen BVB-Fan wäre dann aber auch ein zu großer Stilbruch gewesen.

Eigentlich stand zu diesem Zeitpunkt eine DFB-Kurzschulung über Passspiel, Spielaufbau und effektives Verteidigen für C-Junioren an der Tagesordnung. Doch dem dafür eingereichten Eilantrag von Coach Tommy Bartke, die Halbzeitpause auf mindestens 30 Minuten auszudehnen, wurde vom Schiedsrichter leider nicht stattgegeben. So ging es bereits nach den üblichen 10 Minuten wieder aufs sonnengeflutete Grün. Schlimmer noch: es ging zunächst alles so weiter.

Der geschickten Fußabwehr von Paul Giesler und der eigentlich physikalischen Unmöglichkeit, aus einem Meter einen Kopfball über das Tor zu setzen, durften die Badeweiher Jungs es verdanken, dass mindestens ein Punktgewinn noch im Bereich des Machbaren lag. Aufgeschreckt durch diese Erkenntnis besannen sie sich fortan zumindest in Ansätzen auf ihre Fähigkeiten. Bessere Raumaufteilung, dezent sichereres Passspiel – jetzt hatten wir ein Fußballspiel. Großes und am Ende spielentscheidendes Aber: das Vergeben allerbester Torchancen. So schafften es weder Rouven Maly (Gegenspielerkopf als Flugbahnhindernis), Marco Novak (Torwart-Sternstunde) noch Nils Bartke (hätte aber wenigstens im Football als Fieldgoal gezählt), dem Gegner sein 90. Saisongegentor beizubringen. Das faszinierte selbst den Schiedsrichter derart, dass er Raum und Zeit vergaß und bei unserem Ballbesitz im Mittelfeld 40 Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit die Partie beendete. Als kühner Optimist würde ich behaupten, dass wir diesen Angriff garantiert und in kaum beschreibbarer spielerischer Anmut mit dem 2:2 abgeschlossen hätten. Leider musste der Beweis ausbleiben. Und so feierte die bereits abgestiegene Mannschaft des SV Hessler 06 ihren seltenen Sieg verdientermaßen sogar fast noch emotionaler als der FC Bayern seine jüngst errungene 253. Deutsche Meisterschaft.

Uns blieb leider nur der enttäuschte Heimweg und die daheim wartenden Hausaufgaben. In Mathe und Passspiel.

Samstag, 2. Mai 2015 (15:00 Uhr)
C-Junioren-Bezirksliga, 19. Spieltag

SV Hessler 06 – VfB Hüls 2:1 (2:1)

VfB Hüls: 20 Philipp Rowek, 1 Paul Giesler - 2 Nico Joswig (C), 3 Niclas Lanczek, 6 Julius Nigbur, 7 Patrick Zimmermann, 8 Tom Winkler, 9 Duhan Yildirim, 10 Nils Bartke, 11 Jonas Greiner, 12 Marco Nowak, 17 Rouven Brouka, 18 Ruben Brouka, 19 Till Enghöfer

Tore: 1:0/2:0 Hessler (2./8.), 2:1 Rouven Maly (35.)